Bw Hamburg Altona - das Personenzuglok-Bw
war stets auf der Höhe seiner Zeit

um 1895: Das neue Bahnbetriebswerk wird fertiggestellt. Es erhällt einen 57-ständigen Doppelringlokschuppen mit zwei gleichgroßen 16,5-m-Drehscheiben. Der westliche Schuppenbereich hat 23, etwas kürzere Schuppenstände als der östliche Schuppenteil mit seinen 33 Abstellgleisen. Im Südbereich des westlichen Schuppenteils befindet sich auch auf den ersten Gleisen die Werkstatt. Der östliche Komplex ist für Schlepptenderlokomotiven gedacht, er besitzt deshalb längere Schuppenstände.

Das eingleisige Lok-Bekohlungsgleis führt an einer auf 1,10 m über Schienenkante aufgeschütteten langen und vor allem breiten, trapezförmigen Plattform vorbei, an der zwei kleine, handbetriebene Drehkräne die Kohlenhunte umsetzen, aber auch Weidenkörbe werden genutzt.

Die Entschlackung findet auf dem Bekohlungs- und Nachbargleis statt. Drei lange U-Grube stehen zur Verfügung. Maschinelle Einrichtungen fehlen. Die Schlacke wird von Hand verladen. Hier steht auch ein Wasserkran. Zwei Wassertürme der Bauart Intze ragen als Pärchen hinter dem großen Ringlokschuppen hervor.

Von den Behandlungsplätzen kann nur der östliche Lokschuppenteil von Loks direkt erreicht werden.

Die Besandung erfolgt in den Schuppen. Hier befinden sich im Inneren auch die Sandtrocknungsöfen und ausserhalb die Sandlager.

um 1907: Mit Erscheinen der preussische Schnellzuglok S9 werden die Drehscheiben vergrößert. Die Durchmesser betragen jetzt bei der westlichen Scheibe 20 m und 18,20 m bei der anderen. Beide Drehscheiben sind durch ein Gleis miteinander verbunden.

um 1916: Erster großer Umbau bei den Behandlungsanlagen. Eine neue Gleiskonfiguration im Bereich der Behandlungsanlagen entsteht. Erstmals werden Erfahrungen im modernen Betriebsablauf großer Lokomotivanlagen aus Amerika im preußischen Deutschland umgesetzt: Die zeitintensive Entschlackung, das Ziehen der Lösche  und das Wasserfassen wird zu einem Behandlungsabschnitt zusammengefasst und auf mehrere Gleise nebeneinander verteilt. Das Betriebskonzept, die Entschlackung auf mehrere Gleise zu verteilen und die Bekohlung räumlich zu trennen, wird vom amerikanischen
Bw East-Altoona übernommen.
Bei der neuen Entschlackungsanlage kopiert man die amerikanische Anlage des Bw Mc Kees Rock. Die deutsche wird jedoch nur für drei Behandlungsgleise ausgelegt. In den langen Gruben befinden sich mehrere Hunte aus Blech. Ein schräg laufender Kran hebt die vollen Behälter aus den Gruben und befördert sie zu einem zweiteiligen Hochbehälter, der über dem Kohlezufuhrgleis steht. Der vordere Behälter faßt 25 qm Lösche, der hintere 75 qm Asche und Schlacke. Hier können untergeschobene O-Wagen innerhalb kürzester Zeit mit der gesammelten Schlacke und Lösche beladen werden.

Die alte Bekohlung mit Drehkränen und Hunten erweist sich für moderne Dampflokomotiven mit großen Schlepptender als zu zeitaufwändig. Erstmals inn Gesamtdeutschland wird ein großer Kohlehochbunker – ebenfalls nach amerikanischem Vorbild –  mit vier jeweils 25 Tonnen fassenden Großbehältern auf stählernen Stützen errichtet. Drei Behälter nehmen normale Kohle auf, der vierte und größere Presskohle. Unter jedem Behälter befindet sich eine zum Gleis seitlich ausziehbare Abgabetasche. Parrallel zum Gleis läuft zwischen Vorratsbehältern und Abgabebehältern ein 2 Tonnen fassender Spezialbehälter, der ausschließlich zum Erfassen der abzugegebenen Kohlenmenge dient. Der fahrbare Trichter ist mit einer Wägevorrichtung versehen. Bei jedem Bekohlungsvorgang wird zuvor der Abgabetrichter gefüllt und anschließend über den zu füllenden Loktender ausgezogen. Die Bekohlung erfolgt weiterhin auf nur einem Gleis.

Ein großer Brückenlaufkran mit Drehkran, ebenfalls in Deutschland in dieser Form in einem Bw erstmals errichtet, bestreicht einen Teil des unverändert gebliebenen Lagers und befüllt den Bunker. Der Kran entspricht in seiner Konstruktion dem eines Hafenkranes. Somit ist er leichter und beweglicher als ein schwerer Portalkran mit Laufkatze, da die Brücke kürzer gehalten werden kann, denn der Kranausleger kann zusätzlich einen Teil des Kohlelagers bestreichen. Der Kran wird zum Vorbild in ganz Deutschland, der Bau von schweren Portalkränen mit Laufkatze wird schon bald zugunsten eines Brückenlaufkrans
a la Altona  aufgegeben.

Damit während des Umbaus der Bekohlungsanlage keine betrieblichen Engpässe
entstehen, ständert man die Laufschiene der Kranbrücke im Kohlelager auf Pfeiler im Abstand von 5 m auf. Auf diese Weise kann während des Kranbaus auch das hintere Kohlelager mit Hunten erreicht werden. Das alte Kohlezufahrtsgleis wird in den vergrößerten Bansen integriert. Beidseitig des neuen Kohlewiegebunkers verbleiben kleine Kohlelager mit einem jeweils dazugehörenden Drehkranen nebst Hunten als Notbekohlung.

ab 1924: Das Bahnbetriebswerk gehört nun nach Gründung der Deutschen Reichsbahn Gesellschaft zur Reichsbahndirektion Altona.

um 1925/26: Die Entschlackungsanlage wird aus Rationalisierungsgründen zum zweiten Mal umgebaut. Der inzwischen unpraktische Hochbehälter verschwindet, die Gruben mit ihren Hunten werden durch zwei lange Schlackensümpfe ersetzt. Eine Anbindung des bestehenden Brückenlaufkranes zum Leeren der mit Wasser gefüllten Gruben ist nicht möglich, daher entsteht ein eigener, verfahrbarer Portalkran mit Laufkatze und Greifer. Vier Wasserkräne finden hier ihren Platz. Die Entschlackung der Dampflokomotiven und vor allem das Entsorgen der Verbrennungsrückstände wird erheblich beschleunigt. Diese Anlage bleibt bis zum Schluß der Dampflokzeit in Altona stehen.

um 1926/27: Der Bekohlungskran erweist sich als leistungsschwach. Er wird komplett ersetzt. Die neue Laufbrücke wird zum Lager hin verlängert und auf neue Pfeiler gesetzt. Während der Bauphase des neuen Krans bleibt der alte in Betrieb. Seine Pfeiler bleiben nach der Demontage des alten Krans noch einige Zeit ungenutzt stehen. In die Mitte des Kohlelagers wird ein weiteres Kohlezufuhrgleis gelegt.

Der neue Drehkran erhält wie sein Vorgänger als Gegengewicht zum Ausleger ebenfalls Betonplatten ausserhalb des Maschinenhauses. Auf ein Wiegegestänge  im Ausleger zum Ermitteln der an Lokomotiven mittels des Greifers direkt abgegebenen Kohlemenge verzichtet man, da bei Ausfall des Bekohlungsbunker die beiden kleinen Notbekohlungskräne einspringen. Dieser Bekohlungskran bleibt bis zum Schluß unverändert, einzig das später montierte Wiegegestänge verschwindet in den 1950er-Jahren.

Die Notbekohlungskräne werden umgesetzt, sie stehen nun unmittelbar am Kohlezufuhrgleis am Kohlebunker. Die beiden seitlichen Kohlelager neben dem Kohlebunker verschwinden, die Kohlehunte werden bei Bedarf direkt von beladenen Kohlewagen befüllt. Dadurch ist im Extremfall eine größerer Menge an Kohle umsetztbar.

Direkt neben dem Kohlebunker wird zur Drehscheibenseite hin eine neue Besandungsanlage in den alten Kohlebansen der Notbekohlung gebaut. Sie entspricht der Bauart, wie sie von der DRG zu jener Zeit propagiert wird und in einigen größeren Bahnbetriebswerken wie München oder  Freiburg errichtet worden sind. Der getrocknete Sand wird im aufgeständerten Bedienungshaus in einem großen Behälter gelagert und fällt bei Bedarf mittels einer Rutsche und Schlauch in den Sankasten der Dampflokomotiven. Auf zwei Gleisen können die Lokomotiven ihre Sandvorräte auffüllen. Das Sandlager befindet sich im ehemaligen Kohlelager, dass nun komplett abgedeckt ist.

um 1927/28: Die beiden Drehscheiben werden wegen dem Erscheinen der neuen Einheitsschnellzuglokomotiven komplett umgebaut (01 069 wird am 12. Juli 1928 als erste  Einheitslok beheimatet). Beide Brückenlängen betragen nun 23 m. Die Gruben und Brücken greifen jedoch nun ineinander, so dass immer nur eine Drehscheibe gedreht werden kann. Andere Lösungen sind wegen der Lokschuppenkonfiguration nicht möglich.

Wahrscheinlich erhält der Bekohlungskran zu jener Zeit sein Wiegegestänge, was ihn nun ermöglicht, die Dampflokomotiven auch direkt mit Kohle zu versorgen.

um 1932: Bau einer langen Triebwagenhalle für die modernen Schnelltriebwagen an Stelle der alten Wagenhalle.

ab 1938: Das Bahnbetriebswerk gehört nun zur Reichsbahndirektion Hamburg, da die Stadt Altona in Hamburg eingemeindet worden ist.

bis 1945: Trotz der schweren Luftangriffe 1944 nur wenige Schäden. Verlust der Triebwagenhalle und eines Wasserturms, der zweite ist nur gering beschädigt, einzig die Verkleidung des Aufbaus fehlt , so dass er weiter genutzt werden kann. Bau eines hölzernen, viereckigen Wasserturms wie er bei der Reichsbahn an der Front üblich war, ersetzt den zerstörten Turm. Er steht jedoch hinter dem rechten Schuppentrakt.

ab 1949: Aus der Reichsbahndirektion Hamburg wird mit Gründung der Deutschen Bundesbahn die Bundesbahndirektion Hamburg.

1950/51: Kompletter Neubau des Kohlewiegebunkers. Die Konstruktion entspricht der Einheitsbauart der DB, die sich auf bereits ausgearbeitete Pläne der Reichsbahn aus der Zeit vor 1945 stützt. Sechs Schüttbehälter werden jeweils als Pärchen hintereinander gesetzt und überdecken das nach wie vor einzige Bekohlungsgleis. Diese ungewöhnliche Ausführung eines Einheitsbunkers bleibt in Westdeutschland einmalig.

Eine moderne Luftdruckbesandungsanlage mit hochgelegenem Behälter, ebenfalls gebaut nach den Einheitsprinzipien der DR bzw. DB, entsteht an den Drehscheibenzufahrtsgleisen noch vor der Gleiskreuzung. Sie ersetzt die in der frühen Reichsbahnzeit auf ein Stahlgerüst gesetzte Besandunsgsanlage, eine Bauart, wie sie in einigen anderen deutschen Bahnbetriebswerken in den 1920-er Jahren ebenfalls errichtet worden war.

Bau einer neuen Triebwagenhalle mit davor befindlichen Tankzapfsäulen.

um 1955: Bau eines neuen Wasserturms nahe der Entschlackungsanlage. Er ersetzt die beiden Wassertürme hinter dem Doppelringlokschuppen. Diese werden abgerissen. Der markante Betonturm steht noch heute.

um 1956: Bau einer Dieseltankstelle für die neuen Dieselgroßlokomotiven

um 1957: Bau einer Ölbetankungsanlage und entsprechender Schwerölhochbehälter für die Versorgung der ölgefeuerten Dampflokomotiven. Der entsprechende Ölkran wird vor der Entschlackung plaziert.

um 1960: Modifizierung des Besandungsturms, der Behälter wird vom hohen Turm heruntergeholt und an gleicher Stelle auf eine Brücke über dem Bekohlungsgleis gesetzt, dadurch bessere Befüllbarkeit von Sandbehältern beidseitig an Diesellokomotiven.

um 1965: Ein kleiner Teil der Gleisanlagen werden elektrifiziert. Die westliche Drehscheibe ist für Elloks erreichbar.

um 1967: Abriß der Bekohlungsanlage. Kohle gefeuerte Dampflokomotiven fahren nun nach Eidelstedt, um ihre Vorräte aufzufüllen.

ab 1968: Mit der 1965 fertiggestellten Elektrifizierung der Strecke von Hamburg nach Hannover und der drei Jahre später ebenfalls mit Fahrdraht versehenen Strecke nach Osnabrück verlieren die Dampfloks des Bw Altona ihre wichtigen Personenzugleistungen nach Süden.

bis 1972: Schnell- und Eilzüge mit Dampflokomotiven u.a. auf der Marschbahn nach Westerland/Sylt.

nach 1973: Abbau der Ölbetankungsanlage.

1982: Abriß des großen, rund neunzigjährigen Doppelringlokschuppens wegen neuer
U-Bahn-Trasse.

um 2000: Entfernen der beiden Drehscheiben

heute: Das Bahnbetriebswerk ist aufgelöst. Seine Funktion hat das Bw Hamburg-Eidelstedt übernommen.

Text: Markus Tiedtke, Fotos: verschiedene Sammlungen    Mehr ...

Weiteres zu diesem Thema finden Sie im: ModellEisenBahnerSPEZIAL
Ausgabe 9/2008.